14. Tag auf See – Sonne und Ostkurs


Liebe Leser,

was für ein herrlicher Segeltag. Ich glaube heute hat zum ersten Mal
wirklich alles gestimmt: Genug Wind, um minimal mit 4,5 (meist aber eher
6-7) Knoten voran zu kommen, glatte See, blauer Himmel, Sonne, …

So könnte es gerne bleiben! Wird es auch noch zumindest bis morgen. Dann
soll aus Westen wieder ein Tief herangezogen kommen, dass uns mehr als
nötig starken Südwestwind bringt. Wir haben uns ein wenig nach Süden
durchsacken lassen, um dem Zentrum des Tiefs aus dem Weg zu gehen und
nicht schon wieder „einen auf die Mütze“ zu bekommen. Die Wetterkarte um
15 Uhr Ortszeit wird zeigen, wie es sich entwickelt. Wir sind gespannt.

Heute haben wir den ganzen Tag in der Sonne gelegen. Egi im Cockpit, ich
auf dem Vorschiff. Braun geworden sind wir in den vergangenen Tagen
wirklich, hätte ich auf dem Nordatlantik gar nicht so vermutet. Aber
logisch – wir segeln südlich des 39sten Breitengrades – das liegt auf
Höhe von Süditalien. Problem an Bord ist nur derzeit, dass wir beide das
gleiche Buch lesen – ich war immer 200 Seiten weiter, aber Egi hat
gestern während seiner Vormittagswache enorm aufgeholt. Daher warten wir
immer nur, dass der andere das Buch einen Augenblick fallen lässt 😉

Den Kocher konnten wir gestern glücklicherweise erneut reparieren. Haben
wohl zu viel vom Kupferrohr weggeschliffen, damit es in die Aufnahme am
Kocher passt – jetzt hatte es ein wenig Spiel und war rausgerutscht. Ein
Glück, dass das so einfach zu beheben war! Beim Angeln hatten wir noch
keinen Erfolg und wir haben – außer in der Snackkiste voller Schokolade,
Kuchen, Obst und Pudding – auch kaum noch Dinge an Bord, die man ohne
Aufwärmen essen könnte. Frischwasser haben wir noch an Unmengen an Bord.
Da scheint die Planung gepasst zu haben. Ich konnte mir eben nach nun 2
Wochen auf See die erste richtige Dusche auf dem Vorschiff gönnen. Wie
schön es sein kann, sauber zu sein … Eine Rasur haben wir uns auch
gegönnt. Egi schon gestern, ich dann heute Vormittag. Sind quasi bereit
für den Landgang, aber noch liegt eine Woche Wasser vor dem Bug. 850
Meilen sind es noch in etwa bis Horta, nur 710 bis zur ersten Insel der
Azoren. Wir kommen also näher. Das Etmal von heute liegt mit 124 Meilen
gar nicht so schlecht. Das morgige wird sicher etwas magerer ausfallen,
der Wind nimmt ab. Aber dennoch brauchbar, denk ich.

Anbei ein Foto von den Sonnenschüssen mit dem von SVB.de gestifteten
Sextanten, mit dem ich mich hier an Bord mal wieder auf die alten
Navigationsmethoden besinnen möchte. Klar, vorwiegend rattert das GPS
unsere Positionen herunter, aber ich fand die Sextantennavigation schon
immer so spannend und wollte es immer einmal auf See ausprobieren, mich
damit zurecht zu finden.

Vor kurzem ging am Rande des Tagesgeschäftes durch die Medien, dass die
GPS-Positionen demnächst immer ungenauer werden. Ich habe mich im Zuge
meines Praktikums bei der YACHT in Hamburg ein wenig damit beschäftigt.

Die Satelliten, die derzeit die Positionen für die Navigationssysteme im
Auto und auf dem Boot liefern (es sind etwa 34 an der Zahl, wenn ich
mich recht entsinne …), sind mittlerweile gute 20 Jahre alt. Wenn man
zurück denkt, wie weit die Computertechnik vor 20 Jahren war, kann man
sich denken, was dort oben für antike Stücke herum schwirren. Die
US-Airforce ist für die Wartung der Satelliten zuständig (nicht etwa die
NASA!), aber durch „budgetary cutbacks“, Einsparmaßnahmen, ein wenig
hinterher mit der Entwicklung einer neuen Satellitengeneration.
Bereits vor drei Jahren sollte die neue Generation nach und nach ins All
geschossen werden, aber erst jetzt steigen die ersten Satelliten auf.
Das Problem ist, dass nun immer mehr ausfallen. Das GPS-System benötigt
eine bestimmte Anzahl von Satelliten, um eine möglichst genaue Position
sicherzustellen. Wenn nun die Satelliten ausgetauscht werden, aber noch
nicht genügend neue im Orbit schwirren, nimmt die Positionsgenauigkeit
ab. Auf unserem GPS steht derzeit, dass unsere Position eine Genauigkeit
von 13 Fuß, also etwa 4 Metern hat. Das reicht für die Segler allemale.
Aber wer im Auto sitzt und zwischen den hohen Häusern einer Großstadt
unterwegs ist, die die Satelliten abschirmen, der kann schon Probleme
haben. Mir ist es neulich passiert, dass mein Navi auf einer großen
Autobahn eine 3/4 Stunde gebraucht hat, um mich nicht mehr länger auf
die angrenzenden Nebenstraßen zu setzen. Uwe Röttgering berichtete in
seinem Blog auf www.einhandsegeln.de, dass er während des
OSTAR-Transatlantikrennens zwei Tage lang keine Position auf seinem GPS
empfangen konnte und über Satellitentelefon zuhause anrufen musste,
damit seine Familie ihm die über das Inmarsat-System gesendete Position
des auf seinem Kajütdach montierten Racetrackers mitteilen konnte. Da
scheint also wirklich was dran zu sein, mit der zunehmenden
Ungenauigkeit. Für die Auto- und Handynavigationssysteme ist man, wie
ich gehört habe, bereits daran, ein neues System zu entwickeln:
Wireless-Computernetzwerke werden von herumfahrenden Empfangswagen
katalogisiert und können, sollte der Satellitenempfang in Großstädten
nicht ausreichen, als Orientierungspunkt für Navigationssysteme
fungieren. Wer einmal mit dem Laptop auf dem Beifahrersitz durch eine
Großstadt gefahren ist und die Netzwerke entlang der Straßen gesehen
hat, kann sich sicher etwas darunter vorstellen.

Für uns Segler wird die zunehmende Ungenauigkeit der GPS-Positionen in
den nächsten 5 Jahren bestimmt keine großen Probleme geben – aber für
mich war es Grund genug, mich mal wieder zu erinnern: Wie war das
eigentlich damals mit dem Sextanten? Ich werde später mal, von Zuhause
aus, an dieser Stelle davon berichten.

Soweit von uns hier an Bord. Position von heute ist 38 Grad 51,8′ N, 046
Grad 56’W.

Viele Grüße!

Euer Johannes