Sonnenschein trotz grauem Wetter …

Über eine Sache wollte ich hier noch berichten, denn sie liegt uns sehr am Herzen.

Cati und ich haben Ende Mai an einem tollen Event an der Ostsee teilgenommen: Der Hoffnungsflotte der „Sunshine4Kids“. Eine Veranstaltung, die uns nachhaltig begeistert, berührt und bereichert hat. Ich habe gleich am folgenden Tag einen Text dazu für YACHT online verfasst, den ich hier kurz zitieren möchte. Es wäre kontrakreativ, zweimal über das gleiche Event zu schreiben 😉

YACHT online, 21. Mai 2013:

Segeln hilft, dem Alltag zu entfliehen. Nicht umsonst sind jedes Wochenende die Autobahnen in den Norden verstopft, weil gestresste und geplagte Geschäftsführer, Familienväter und andere Erholungsbedürftige zu ihrem Boot wollen. Vor dem Alltag flüchten, Gemeinschaft mit Gleichgesinnten erleben und die Batterien für die neue Woche laden. „Segeln als Medizin“ titelte die YACHT in Heft 20/12 – und löste damit viele Reaktionen ehemals Stressgeplagter aus, die von einer bewussten Auszeit und der Besinnung auf dem Wasser berichten.

Dass Segeln jedoch nicht nur für Erwachsene ein Hilfsmittel zur Entspannung sein kann, beweist die Westfalin Gaby Schäfer, 40, bereits seit einigen Jahren. Vor fünf Jahren hatte sie die Idee, Kinder, die in ihrem jungen Leben bereits viele negative Momente erlebt haben – sei es durch Schicksalsschläge, Krankheiten oder Anderes – einfach mal mit aufs Wasser zu nehmen. Ihnen die Chance zu geben, für einige Tage all das schwere Gepäck, das sie mit sich herumtragen, an Land zurückzulassen und einfach „Kind“ zu sein. Dabei geht es ihr aber auch darum, Zeit für Gespräche zu schaffen und durch das abenteuerliche Erlebnis in der Natur Kraft für einen Neuanfang zu bewirken. 

„Unsere Arbeit ist bewegend, manchmal herzzerreißend, aber immer lohnend und unvergesslich“, sagt Schäfer, ein energiegeladener Wirbelwind, der es immer wieder schafft, die Sponsoren und Unterstützer von ihrer Aufgabe zu überzeugen – und Jahr um Jahr eine neue Ausgabe der „Hoffnungsflotte“ zu organisieren. So erklärte sich jüngst Olympionike Jochen Schümann bereit, die Hoffnungsflotte 2013 auf dem IJsselmeer zu unterstützen – zusammen mit dem Sailing Team Germany.

Schäfers Arbeit zeitigt in der Tat unglaubliche Erfolge: Was 2007 in Kroatien mit wenigen Charteryachten begonnen hat, gipfelte am vergangenen Pfingstwochenende auf der Ostsee. Über YACHT online und diverse andere Foren hatte Schäfer die User aufgefordert, an diesem Wochenende ihre Yacht ebenso wie ihre Freizeit für eine erste Ostsee-Aktion der Sunshine4Kids zur Verfügung zu stellen. Ein Aufruf, dem die Skipper von insgesamt 19 Yachten zwischen 27 und 42 Fuß gefolgt sind. Sogar ein 27 Meter langes Traditionsschiff ist extra für das Wochenende nach Burgtiefe auf Fehmarn angereist.

Erstmals ist es auf diese Weise möglich geworden, 54 Kindern gleichzeitig die Chance zu einem Wochenende unter Segeln zu geben. Noch bevor der Reisebus am Freitagabend über die Brücke nach Fehmarn fährt, liegt die Flotte in Burgtiefe bereit, Menschen, von denen sich die meisten zuvor gar nicht kannten und lediglich dem Aufruf im Forum gefolgt waren. Darunter berühmte Persönlichkeiten wie Gudrun Calligaro, die mit ihrer Dufour Arpege „Mädchen“ zwischen 1988 und 90 als erste Deutsche einhand die Welt umsegelt hat. An diesem Wochenende jedoch schallen die Klänge des Teenie-Idols Justin Bieber aus allen offenen Luken ihrer Blauwasseryacht – denn auf „Mädchen“ haben zwei 12-jährige Mädchen angeheuert. „Bei mir an Bord gibt es nur einen Kleiderbügel“, sagt die Trans-Ocean-Preisträgerin Calligaro und grinst. „Auf dem musste natürlich der Pullover mit dem aufgedruckten Konterfei des Stars über Nacht hängen.“

Ein zunächst ungewöhnliches Empfinden bei den Gastgebern: Wer wird an Bord kommen? Wie werden sich die älteren Eignerpaare mit den jungen Gästen verstehen? Und mit den Geschichten, die sie mit sich tragen?

Doch die Bedenken sind rasch verwischt. Man lernt sich kennen und schließt einander ins Herz. Schnell sind die Eigner nicht nur mehr Schiffsführer, um den Kids eine Ausfahrt zu ermöglichen, sondern werden zu Ersatzeltern für ein Wochenende. Obwohl herbstlich anmutendes Wetter so manchem einen Strich durch Programmpunkte der Nachmittagsgestaltung macht, verleben die großen und kleinen Segler drei erlebnisreiche Tage. Zum Beispiel bei einem Besuch im Meereszentrum, bei denen die Erwachsenen-Crews genauso gespannt die bunten Fische hinter den Glasscheiben beobachten wie die kleinen – und natürlich bei den täglichen Segelausfahrten. Während sich am Samstag noch Seekrankheit breit macht, ist der Sonntag perfekt. Aus Kindersicht, zumindest. Denn die See ist glatt und der Wind kaum existent. So drehen die Yachten zwei Stunden lang gemächlich Pirouetten umeinander. Die Erwachsenen sitzen nur noch an Deck, während die Kinder das Kommando übernommen haben, UKW-Kanal 69 beherrschen und Pirat spielen, sogar mal die anderen Schiffe entern. 

Als am Montagmorgen der Abschied naht, hat sich nicht nur bei den Kindern eine Wandlung vollzogen, wie ja eigentlich geplant war. Alle Teilnehmenden haben an dem Wochenende Erlebnisse gehabt, die ihr Leben bereichern. Aus Crews sind Freunde und Familien geworden. 

Selbst am Busfahrer ging diese Wandlung nicht vorbei – er hat am dritten Abend Schlips und Jackett gegen ein Sunshine4Kids-T-Shirt getauscht und die Teilnehmer am Grill bewirtet. 

Als die Kinder allerdings am Montagmorgen wieder zurück in den Bus steigen müssen, ist die Stimmung gedrückt. Der Busfahrer trägt wieder Schlips und Kragen und bringt das in der Luft liegende Gefühl treffend zum Ausdruck: Der Spaß ist vorbei, es geht zurück in den Alltag. Hände werden gedrückt, Schultern geklopft und Umarmungen vollzogen. Als 108 Hände hinter den getönten Scheiben des Busses winkend in den grauen Nebelschwaden verschwinden, lassen sie 52 Erwachsene am Yachthafen zurück. Die Kinder haben einen Teil von ihnen mitgenommen. 

„Ganz klar, beim nächsten Mal sind wir wieder mit dabei“, ist mehrere Male auf dem Steg zu hören. Dann werfen die Crews ihre Leinen los. Die Cockpits wirken ziemlich leer und unbelebt – und so werden sie den Skippern auch vorkommen. Die Kurse gehen auseinander. Lübeck, Heiligenhafen, Großenbrode, die Schlei – die Segler haben zum Teil noch lange Wege vor sich. Und viel Zeit, um über das Erlebte nachzudenken. 

Doch der Spaß ist mit dem Abschied nur vorerst vorbei. „Alle Kinder, die mit auf der Ostsee waren, können auch beim nächsten Törn auf dem IJsselmeer mitfahren“, hat Gaby Schäfer noch am Vorabend versprochen. Dort liegen sogar zwei eigene Vereinsyachten. Schenkungen, von Unterstützern des Vereins. „Und außerdem halten wir Kontakt mit den Kindern, versuchen ihnen auf dem weiteren Weg zu helfen, sie zu unterstützen und zu begleiten.“ Aber nicht nur der Verein – auch so mancher Skipper hat mit den Kindern E-Mailadressen getauscht oder unverhofft eine Freundschaftsanfrage bei Facebook erhalten. „Es wäre nicht das erste Mal, dass sich aus einer Crew echte Freundschaften entwickeln“, sagt Gaby Schäfer.

Es ist immer schwierig, einen Artikel nach allen Ansprüchen des Journalismus zu verfassen, wenn man selbst derart begeistert und zugleich bewegt von einem Erlebnis ist, wie ich es nach diesem Wochenende war.

Eine rundum runde Sache, ein tolles Wochenende. Das fängt mit den anderen Skippern an – alles extrem nette Menschen gewesen. Ich habe mich natürlich besonders gefreut, die weit gereiste Seglerin Gudrun Calligaro kennen zu lernen, deren Buch ich als Teenie verschlungen habe. Mit ihr an Bord von „Mädchen“ zu sitzen und über ihre Reisen durch den Southern Ocean zu plaudern, hat mein Seglerherz hüpfen lassen. Sie und ihr Schiff haben Gegenden gesehen, in die ich erst noch hin möchte.

Aber die Kinder und ihr erlebtes Glück an diesem Wochenende waren es, die mich – und sicher viele von uns – zurück auf den Boden geholt haben. Es ist doch paradox: Wir haben uns in Heiligenhafen zusammengefunden, um den Kindern ein schönes Wochenende zu bereiten – aber wir konnten ihnen gar nicht so viel mitgeben, wie sie uns zurückgelassen haben.

Deshalb ist nun rechts auf der Seite das Logo der „Sunshine4Kids“ installiert. Darüber kurz erklärt: „Das finden wir gut“. Einfach nur, weil nicht genug Platz gewesen ist für ein „richtig, richtig gut“.

Zu gern möchten wir deshalb auch an der diesjährigen Hoffnungsflotte am Ijsselmeer teilnehmen, die Ende Juli stattfindet. Die Veranstaltung dauert dann nicht nur vier Tage, sondern eine ganze Woche. Viel mehr Zeit, um die Kinder besser kennen zu lernen. Allerdings werden wir „Maverick“ bis dahin wohl nicht mehr fertig bekommen. Für die Veranstaltung auf Fehmarn hatte uns das Charterzentrum Heiligenhafen ein wunderbares Boot zur Verfügung gestellt.

Mal sehen, vielleicht können wir ja bis Ende Juli noch irgendwo ein Boot auftreiben.