46 Tage: Im Wasser

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Liebe Leser,

ein unvergessliches Wochenende liegt hinter uns: „Maverick“ ist endlich zurück ins Wasser gekommen.

Schwer, in Worte zu fassen, was wir gerade empfinden. Erleichterung, Freude, Glück.

Als die Wellen im Hafen von Neuhaus unters Heck klatschten, war auch genau das zu hören: „Glück, glück, glück …“

Das Schiff ging am Samstagabend erst gegen 20 Uhr zu Wasser, weil wir auf Hochwasser warten mussten – und ohnehin noch genug zu tun hatten, um „Maverick“ dicht zu bekommen. Es waren noch nicht auf allen Seeventilen Schäuche montiert. Als unser Schiff rückwärts in die Oste geschoben wurde, war ich sofort mit einem Sprung an Deck, Bilgenbretter hoch, nachschauen ob ich die insgesamt neun neuen Borddurchbrüche unter der Wasserlinie auch sorgfältig eingebaut hatte. Alles dicht. Erleichterung. Undichtigkeiten hätten bedeutet, dass wir an Land bleiben müssen und sich der Sliptermin eine weitere Woche verzögert.

Wir haben in den letzten Wochen so viele kleine Rückschläge einstecken müssen, die addiert doch locker zwei Wochen Zeitverzögerung ausmachen. Immer wieder haben wir auf einen neuen Bauabschnitt hin gearbeitet, um dann festzustellen, dass die bestellten Teile nicht passen oder zusätzliche Teile nötig sind. Etwa beim Wiederzusammenbau der Furlex: Der Draht wird überlang geliefert, dann auf Länge geschnitten und am unteren Ende mit einem Schraubterminal geschlossen. Das alte Terminal war total fest und nur über dem Gaskocher zu öffnen. Als ich es dann mit einem neu bestellten Konus montieren wollte, stellte sich heraus, dass das alte Gewinde gefressen hatte. Also brauchen wir nun Ersatz. Um den Zeitplan nicht durcheinander zu bringen, haben wir die Furlex trotzdem eingehängt und den Mast gestellt. Den neuen Schraubterminal werde ich stehenden Mastes montieren.

Nach dem Slippen blieb das Schiff die erste Nacht im Hafen von Neuhaus liegen. Wie viele Häfen an der Nordseeküste fällt er trocken. Bis halb 1 Uhr morgens haben wir also an Bord ausgeharrt, um sicher zu gehen, dass sich unsere frisch lackierte Lady nicht beim Trockenfallen im Schlick mit der makellosen Bordwand gegen den stählernen Schwimmponton lehnt. Als es gegen 22 Uhr dunkel wurde, konnten wir an Bord nichts mehr machen. Kein Licht in der Kajüte, um weiter zu bauen. Die Elektrik ist ja noch ein Bausatz. Es blieb uns nichts anderes übrig, als an Deck zu sitzen und auf Niedrigwasser zu warten.

Wann hatten wir das zuletzt gemacht? Einfach nur da zu sitzen und den Abend zu genießen. Der warme Sommerwind, der uns durch die Haare weht. Ein paar quakende Enten, ein paar blökende Kühe nebenan. Über uns ein tolles Rigg, dessen Drähte auf anhieb so gepasst haben, wie ich sie hab pressen lassen. Klappernde Fallen und ein Windex, der in den Abwinden der Bäume Pirouetten um seine eigene Achse dreht. Einfach nur sitzen und genießen. Das letzte Mal ist zwei Jahre her.

Im Cockpit gesessen haben wir in den vergangenen Monaten oft. Aber immer gab es irgendwelche Aufgaben zu erledigen. Eine Zeit, die nicht immer ganz einfach war. Vor allem in den letzten Wochen. Hitze (immer über 30 Grad in der Halle), Zeitdruck („werden wir fertig?“), Rückschläge („die können das doch nicht zu kurz geliefert haben?!“) und sogar ab und an ein handfester Streit. Johannes, der große Aufgaben zu erfüllen hatte und mittlerweile mit den Nerven Barfuss ist. Viel zu viele offene Baustellen. Höhen und Tiefen. Nicht ohne Grund gehen viele Seglerehen beim Bootsbau kaputt. Aber wir haben durchgehalten.

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An dem Abend im Cockpit war das alles ganz weit weg. Unser Schiff schwimmt. Auch, wenn es unter Deck immer noch eine Baustelle ist. Der Motor läuft, das Rigg steht – und den Rest schaffen wir auch noch.

„Unglaublich“, fasste es Cati irgendwann in Worte. Es war inzwischen stockdunkel. Immer noch 23 Grad warm, aber wir begannen nach dem Tag in der prallen Sonne zu frieren und hatten uns in eine alte Segelpersenning gewickelt. „Unglaublich, wie anders es ist, im Wasser zu sein … Kaum schwimmt das Schiff, ist das Leben wieder richtig, richtig schön.“

Mittlerweile schwimmt „Maverick“ sogar schon vor der Haustür und jetzt habe ich die Chance, jeden Abend nach Feierabend ein paar Stunden an Bord zu basteln. Das Schaltpaneel ist montiert und schon halb angeschlossen. Natürlich fehlen wieder ein paar ganz spezielle Rohrkabelschuhe. Die 25 Stück, die noch auf Lager sind, passen alle nicht. Wieder eine kleine Hürde. Zwei Tage dauert es, bis die passenden Teile per Post kommen.

Die Uhr ist nicht das einzige, das uns im Nacken sitzt. Auch andere Sorgen drücken. Wenn ich die letzten Rechnungen für die Werft und den Riggumbau bezahle, ist mein Konto wieder einmal zweistellig. Keine Ahnung, wovon wir noch Segel kaufen sollen. Das anfängliche Wunschpaket „neues Groß, neue Fock, einen Gennaker und ein Bimini“ ist in Gedanken längst reduziert auf ein neues Großsegel und ein Bimini. Letztere treibt das Schiff zwar nicht an, aber nach 11 Monaten auf der ersten „Maverick“ in der prallen Sonne, renne ich heute alle paar Monate zum Hautarzt, weil sie die Haut doch ganz schön verändert hat. Deshalb ist das Ding diesmal Pflicht. Außerdem kann ein Bimini nicht hinterher geschickt werden, eine Fock schon.

Erfreulich allerdings: Das neue Vorstag ist nur 8 Zentimeter kürzer als das alte. Das heisst, das unsere alte Genua weiterhin passen sollte 🙂

Alle anderen Sorgen schieben wir erstmal beiseite. Wir schwimmen. Der Motor läuft. Und alles andere wird sich ergeben.

Nun erstmal wieder ein paar Bilder.

Johannes