Neuer Heimathafen

Liebe Leser,

fast drei Monate ist es her, dass ich den letzten Blogeintrag veröffentlich habe. Die Stille hier auf dieser Website hatte einen guten Grund: Es war mir einfach zu peinlich zu schreiben, was inzwischen alles passiert ist. Ihr müsst mich doch alle für verrückt halten … 😉

Seit Anfang November wohne ich nicht mehr in Hamburg-Wandsbek, sondern im kleinen Ort Oberndorf an der Oste. Was nach tiefstem Bayern klingt, liegt allerdings in Niedersachsen. Südlich der Elbe zwischen Stade und Cuxhaven. Im Frühjahr habe ich hier meine Freunde Bert und Marlene Frisch für die YACHT porträtiert. Berts Familie besitzt schon seit etwa 108 Jahren ein Abo der YACHT und die beiden haben mit ihrem Kutter „Heimkehr“ in den vergangenen Jahren eine tolle Reise rund um den Atlantik gemacht. Außerdem pflegen sie einen interessanten Blog. Grund genug für eine längere Geschichte in Heft 10/2012 mit Titel „Die Chroniken von Oberndorf“.

Und bei dem Besuch ist es passiert: Ich habe mich in die Gegend hier verliebt. Ihr Haus steht direkt am Deich der Oste, einem Nebenfluss der Elbe. Etwa eineinhalb Stunden sind es bis zur Mündung, dann etwa eine weitere bis Cuxhaven. Nur drei Klappbrücken versperren den Weg in die Freiheit – die nächste ist dann erst wieder in New York … Von der Haustür sind es nur ein paar Schritte über eine schwach befahrenen Straße und über den Deich zum Steg, an dem „Heimkehr“ liegt. Einfach optimal. Näher am Wasser und praktischer, was Seetörns angeht, kann man in Deutschland wohl kaum leben. Überhaupt erinnert mich die ganze Gegend extrem an South Carolina, das ich ja während meiner Reise 2006 ausgiebig bereist und lieben gelernt habe. Irgendwann wollte ich zurückkehren und ein paar Jahre dort wohnen. Dann sah ich die Oste – und fühlte mich zurück nach Amerika versetzt.

Dazu herrscht in Oberndorf eine Gastfreundschaft und Nachbarschaftshilfe, die ich noch an keinem anderen Ort der Welt erlebt habe. Ob es das Briefkasten-leeren während längerer Abwesenheiten ist, das Rasenmähen und Heizöltanken, während ich auf einer Dienstreise bin – oder sogar ein Nachbar, der mir meine sauschwere Rettungsinsel über den Deich geschleppt hat, weil ich sie dort liegen lassen hab. Einfach unglaublich. Der Kontrast zur anonymen Stadt Hamburg, in der ich weiterhin fast täglich arbeite und wo sich die Blicke der Leute in der U-Bahn ausweichen, ist enorm. Hier in Oberndorf gibt es kaum einen Menschen, der nicht freundlich grüßt. Ob spät am Abend oder morgens verschlafen auf dem Bahnhof.

Und wie bin ich nun hierher gekommen? Kurz nach meinem Besuch im Frühjahr habe ich im Internet mal aus Spaß nach den Immobilienpreisen in dieser Gegend geschaut. „Für später mal“, dachte ich, denn ich hatte nicht vor in den nächsten 20 Jahren ein Haus zu kaufen. Und dann fand ich sie: Die alte Schmiede. Sechs Häuser neben dem Haus von Bert und Marlene gelegen steht auch sie seit fast 80 Jahren am Ostedeich, besitzt einen Privatsteg hinter 600 Quadratmeter Deichgrundstück und, das genialste: Eine zehn mal fünf Meter große Halle, in der alle Autos oder Boote repariert werden können – und in die sogar „Maverick too“ theoretisch hineinpassen würde. Nur ist das Tor noch sieben Zentimeter zu schmal.

Im April bin ich mit meinem Vater auf der Überführung des Bootes schonmal zwei Wochen probehalber in Oberndorf gewesen. Findige Leser erinnern sich … Damals hat mir Albertus, der hier einen kleinen Einkaufsladen besitzt und so etwas wie die gute Seele des Ortes ist, einen Tipp gegeben: Sinnentsprechend, aus dem Plattdeutschen übersetzt: „Wenn dir der Ochse gefällt, musst du ihn kaufen. Zu teuer ist er nur einmal. Aber dass du ihn nicht bekommen hast, darüber ärgerst du dich dein Leben lang.“ Anfang Mai habe ich dann tatsächlich (mit Unterstützung meiner Familie …) den Kaufvertrag unterschrieben und bin nun Anfang Oktober eingezogen. Mehr als drei Wochen lang lag „Maverick too“ hier anschließend schon am Steg. Die erste Tage bei Ebbe high and dry, danach mit dem Kiel im weichen Schlick. Inzwischen ist sie in Neuhaus in der Werft im Winterlager. Nur 12 Kilometer von Zuhause entfernt. Einfach perfekt.

Der einzige Wehrmutstropfen ist die Pendelei zwischen Oberndorf und Hamburg. Eine Stunde und 15 Minuten fährt die Bahn zum Hauptbahnhof. Doch das kenne ich schon durch meine Pendelei von Kiel nach Hamburg (2008-2010) und auch das hat etwas schönes: Endlich mal wieder Zeit, ein gutes Buch zu lesen. Und das Gefühl morgens auf dem leeren Bahnhofsparkplatz einen Stellplatz direkt am Gleis zu bekommen, abends die Großstadt zu verlassen, um dann im leeren Supermarkt einzukaufen – oder später ein Bier auf dem Boot am Steg vor der Haustür zu trinken, so viele Sterne wie mitten auf dem Atlantik zu sehen und Ohrenschmerzen von der Stille zu bekommen – das alles macht die Pendelei mit der Bahn wett.

zu-zweit-auf-see.de wird nun allerdings nicht zu zu-zweit-am-fluss.de werden 😉 Der große Plan der Weltumsegelung bleibt bestehen. „Maverick too“ hat gerade einen neuen Mast bekommen und wird dieses Frühjahr auch eine Überarbeitung des Unterwasserschiffs erhalten. Danach sind wir technisch gesehen auch schon fast startklar.

Wer nun etwas mehr von der Gegend hier erfahren möchte, sollte sich dieses Video anschauen.

Viele Grüße vom Land!

Johannes