16. Tag auf See

Das Leben an Bord gleicht inzwischen einer Achterbahnfahrt. Der Wind hat letzte Nacht, Punkt 1 Uhr, wieder zugelegt. Zwischendurch hatten wir immer wieder 6 bis 7 Beaufort, in Böen 8. Ganz schön viel. Die Wellen bauen sich immer höher auf und kommen immernoch schräg von achtern. Das ist eigentlich das Schlimmste. Mit dem Wind können wir umgehen, aber die Wellen werfen uns immer wieder heftig auf die Seite, was das Leben hier an Bord nicht einfacher macht. Auch draußen im Cockpit sitzen geht wieder nur im Ölzeug, weil die Wellen regelmäßig ihren Weg ins Cockpit finden. Etwa 400 Meilen vor uns segelt Leidensgenosse Herbert mit seiner „Maya“. Seit Tagen versuchen wir uns über Kurzwelle zu erreichen, aber ich konnte ihn bisher nie zu den verabredeten Terminen hören. Eben um 14.30 Uhr hab ich dann in den Seglerfunk reingehört, konnte ganz schwach Dietmar von der „Summer“ auf den Kanaren hören, der Herbert einen Wetterbericht durchgegeben hat, der ja auch für uns gültig sein wird. Der Wind soll wohl erst in vier Tagen abflauen. Dann haben wir also noch ein paar ruppige Tage vor uns. Cati ist vorhin beim Kaffeeaufbrühen in einer Welle mitsamt dem Handfilter quer durch die Kajüte geschossen und hat überall Kaffeepulver verteilt. Ihre Rettungsweste hat jetzt Kaffee-Aroma. Der Boden vor dem Kocher wurde in den letzten Tagen dreimal gewischt. Einmal lagen dort Cocktailfrüchte (von Aldi), dann Reiswasser – und vorgestern eine Uncle-Bens-Sauce, die den kurzen Weg aus dem Glas in den Topf nur über Umwege gefunden hat. Bei dem permanenten Gerolle fühlt man sich manchmal wie schwerelos. Man gießt etwas in ein Gefäß, etwa Saft in ein Glas, hält den Auslaufstutzen der Safttüte genau über das Glas – dann kommt eine Welle und die Flüssigkeit fließt über das Glas hinweg auf den Fußboden … Der Wetterbericht sagt aber auch, dass die Wellen in den nächsten Tagen ihre Richtung ändern und mehr achterlich kommen sollen. Das wäre für uns ein großes Geschenk, denn dann rollen wir gleichmäßig und zu gleichen Teilen nach Steuerbord und Backbord und werden nicht mehr so überraschend von den großen Wellen auf die Seite geworfen. Es war cool, ein paar Minuten mit Herbert zu plaudern. Hab ihn wirklich perfekt empfangen. Ganz überraschend, denn obwohl er während der Wettervorhersage gar nicht zu hören war (zu nah für die hohe Frequenz, hab ich gedacht …) machte es plötzlich „klick“ und wir haben uns prima verstanden. Leidensgenossen auf See. Er sagt, sein fast drei Meter längeres Schiff wird genauso durch die Gegend geworfen, dass sie Sorge haben, die Kinder werden von irgendwas schwerem getroffen. Beruhigend, dass es auf den größeren Booten genauso ruppig zugeht wie hier. Wenn ich allerdings das Segeln auf der „Maverick too“ mit der Atlantiküberquerung 2005 auf meiner kleinen „Maverick“ vergleiche, ist das schon ein himmelweiter Unterschied. Das Schiff hatte nur einen Meter Tiefgang und ist von den Wellen nur so durchgependelt worden. Dagegen segelt es sich hier auf diesem Boot noch ausgesprochen bequem 🙂 Soweit die Neuigkeiten. Noch 1340 Seemeilen bis Barbados, Etmal: 142 Seemeilen. Johannes