15. Tag auf See

Heute ist echt ein Tag zum abgewöhnen. „Maverick“ wird ständig von etwa fünf Meter hohen Wellen, die von schräg achtern angerollt kommen, auf die Backbordseite gepfeffert, dass es nur so kracht. GFK ist schon ganz schön flexibel, das hört man hier unten in der Kajüte. Knaaarz, knacks … An abwaschen, Kochen, usw. ist gerade kaum zu denken, denn dafür müssten wir uns in die Pantry gurten. Der Grund für diese Achterbahnfahrt: Der Wind hat mal wieder aufgefrischt. Gestern Nacht, wieder Punkt 1 Uhr. Wie immer. Eine Sache, nach der wir echt die Uhr stellen können. Also habe ich nochmal gerefft. Das Groß hat Reff Nummer drei, die Genua die Größe eines Badetuchs. Mehr Reffen geht jetzt nicht mehr, der nächste Schritt wäre Sturmfock. Trotzdem sind wir schnell unterwegs, jetzt immer um sechs Knoten. Das Etmal der letzten 24 Stunden: 134 Seemeilen. Heute Morgen um 6.23 hat Cati einen besonderen Eintrag ins Logbuch gemacht: Nach 1527 Seemeilen, 14 Tagen, 13 Stunden und 23 Minuten haben wir unser „Bergfest“. Meilentechnisch haben wie die Hälte der Strecke im Kielwasser. Tagetechnisch wohl schon längst, denn wir hatten ja in der ersten Woche viel Flaute. Eben haben wir auf dieses Jubiläum mit je einer Dose Cola angestoßen. Alkohol trinken wir nicht, so lang wir auf See sind. Essenstechnisch sind wir nun übrigens in der Bilge angelangt. In einer Mischung aus Salzwasser, Catis Haaren und Motoröl lagern dort unten noch etwa 40 Futterdosen aus Deutschland. Gestern gab es Chili con Carne mit Reis. Mein Vater hat kurz vor der Abfahrt die Aufgabe bekommen, die Etiketten abzulösen und die Dosen mit einem Edding zu beschriften, da sich die Aufkleber mittlerweile eh abgelöst hätten. Allerdings war er wohl ausgesprochen gut gelaunt und hat sich ein paar Scherze erlaubt. Neulich wollten wir eine Dose Mandarinen aufmachen und hatten plötzlich eine Dose Kichererbsen im Sieb. Und was bitte ist „Erbsensuppe mit Spargel“? Ich habe damals im September einen Teil der Dosen bei Lidl und einen Teil bei Edeka gekauft. Falls mal schlechtes Wetter ist, zum Launeheben auch ein paar „hochwertigere Sorten“ wie die von Erasco, dachte ich damals. Da ja keine Etiketten mehr drauf sind, rätseln wir immer, ob es sich nun eine teure oder billige Suppe gehandelt hat. Meistens ist wirklich kein Unterschied zu erkennen. Essen ist gerade ein großes Thema, denn da es ja jetzt „bergab“ geht, also von der Bergspitze runter, und die Meilen gerade nur so runtertickern, liegen wir oft in den Kojen und schwärmen uns gegenseitig vor, was wir alles als erstes machen, wenn wir einlaufen. Na klar, was frisches Essen! Cati möchte am liebsten ein dickes Steak, ich hätte eigentlich an einen Salat gedacht. Den hatte ich lange nicht. Nimmt man die Mitte als Kompromiss, wird es wohl auf Burger hinauslaufen 😉 Da wir auf dem Atlantik überraschend wenig Kaffee getrunken haben, plündern wir für den Ankunftsabend die virtuelle Kaffeekasse hier auf der Seite. Danke an alle, die da was reingeworfen haben! Das mit dem Essen erinnert mich an eine weitere Anekdote hier an Bord. Ich muss etwas ausholen: Um das nötige Geld für den Umbau des Schiffes zu bekommen, habe ich im Frühjahr 2013 einige Monate lang das „Handbuch für den Atlantischen Ozean“ für den Delius-Klasing-Verlag redaktionell überarbeitet. Eine Mordsarbeit, vier Monate habe ich jede freie Minute an dem Buch gesessen. Natürlich mussten auch alle Adressen, Telefonnummern und Co geprüft werden. Da bin ich auf die Seite einer Kneipe auf Barbados gelangt, die direkt gegenüber des Ankerplatzes in der Carlisle-Bay liegt, in der wir nun bald vor Anker gehen wollen. Die Kneipe liegt an der Careenage, in der früher die großen Segelschiffe überholt wurden uns heißt schlicht „Boatyard“. Wenn man „Boatyard Barbados“ googelt, gelangt man auf die Website. Dort wird automatisch ein Song abgespielt, den ich Cati damals vorgespielt habe. An den Text erinnere ich mich nicht mehr, aber an den Refrain: „In da boatyard, Barbados, o-o-ooo-oh. In da boatyard, Barbados, o-o-ooo-oh …“ Seit ich ich Cati vor einer Woche daran erinnert habe, hat sie einen permanenten Ohrwurm. Heute Nacht habe ich sie gegen Null Uhr zur Wache geweckt: „Du bist dran. Noch 1540 Meilen bis Barbados.“ Ihre ersten Worte: „Oh nein, es geht schon wieder los! In da boatyard, Barbados … ahhhhh …“ 😉 Ganz klar, da müssen wir also unseren Burger essen. Bis dahin liegen aber noch 1470 Seemeilen vor uns. Etwa 10 bis 11 Tage, sagt das GPS. Wir hoffen, dass sich die Wellen in den kommenden Tagen der Windrichtung anpassen und wir sie nicht immer von der Seite bekommen. Das würde das Leben hier wesentlich angenehmer machen. Johannes