21. Tag auf See

740 Seemeilen noch, sagt das GPS. Etwa sechs Seetage. Bald lassen sie sich an einer Hand abzählen. Dafür hat aber der Wind etwas abgenommen und wir laufen „nur noch“ 120er Etmale. Das Seegras nimmt dagegen zu. Von Herbert, der inzwischen 500 Meilen vorraus segelt, habe ich per SMS erfahren, dass er große Probleme damit hat, weil sich das Kraut in der freistehenden Schraube und im Hauptruder seiner Bavaria verfängt. Außerdem im Pendelruder der Windsteueranlage. Wir hatten bisher noch überhaupt keine Probleme damit, weil unsere Schraube und unserer Ruder ja durch Propellertunnel und Skeg sehr geschützt sind. Aber die Windsteueranlage fängt seit heute früh öfter mal an zu zittern. Wenn ich dann nachschaue, hängt ein ganzer Ballen an Seekraut daran. Das Schiff ist deswegen noch nicht aus dem Ruder gelaufen, die Anlage schafft es irgendwie trotzdem uns auf Kurs zu halten. Aber um ihr die Arbeit zu erleichtern, löse ich das Pendelruder dann ab uns zu mal durch Zug am Entriegelungsseil. Dann klappt es nach hinten hoch, das Ruderblatt schwimmt auf dem Wasser und das Kraut flutscht ab. Mit dem Bootshaken brauche ich dann nur kurz wieder von oben aufs Ruder zu drücken, damit es wieder unter Wasser klappt und einrastet. Der Tag heute fängt sehr grau an. Hier ist es jetzt 9 Uhr Ortszeit, 13 Uhr deutsche Zeit. Mal sehen, ob die Sonne noch rauskommt. Gestern haben wir den ganzen Nachmittag in der Sonne sitzen können. Ich nur für kurze Zeit, denn ich nehme noch Antibiotikum, und da bekommt die Sonne nicht so gut. Aber Cati ist schon brauner denn je. Jetzt liegt sie gerade in der Koje und macht ein Sodoku. Ich habe ihr auf Madeira an einem Kiosk noch einen dicken Block für 3 Euro gekauft. Den hat sie schon fast durch. Unglaublich. Heute steht mal wieder ein Rundum-Check an Deck an. Das mache ich alle zwei Tage. Prüfen, ob alle Splinte noch in den Bolzen stecken, alles abgetaped ist. Den Bolzen der Rollreffanlage, die Verschraubung der Bugplattform. Außerdem schaue ich mir genau die Walzungen an den Wanten und Stagen an. Als ich 2006 mit der kleinen „Maverick“ in St. Lucia eingelaufen bin, hatten sich die Drähte zweier Unterwanten aus den Walzungen gelöst. Ein bisschen rostig sind manche schon, das bleibt im Salzwasser nicht aus. Jetzt, wo wir ein paar Tage mit trockenem Deck segeln, spüle ich den Flugrost und das getrocknete Salz mit ein wenig Süßwasser runter. Muss ja nicht weiterrosten … Jetzt, wo der Passatwind etwas nachlässt, reichen unser Windgenerator und das 90-Watt-Solarpaneel zum ersten Mal nicht mehr aus, um die Stromverbraucher zu versorgen. Die Flaute vor den Kanaren einmal ausgenommen. Bisher war die Batterie immer mindestens 90 Prozent gefüllt, weil Wind und Sonne selbst im Passat (also mit Wind von hinten. Scheinbarer Wind entsprechend klein) genug Strom geliefert haben, um neben GPS, AIS und Co sogar noch den Kühlschrank zu betreiben. Fantastisch. Ich bin das erste Mal so richtig mit Kühlschrank unterwegs und es ist schon echt ein Unterschied. Man kann Sachen, die nicht aufgegessen werden, einfach mal zwei, drei Tage frisch halten. Nach drei Wochen auf See haben wir vorgestern ein Brot gebacken und eine frische Packung Butter aufgemacht. Lecker! Damals, auf der kleinen „Maverick“, gehörten hingegen selbst Bier und Cola zu den Heißgetränken … 😉