22. Tag auf See

Vor einer Stunde haben wir das erste Schiff auf dem AIS gesehen. Es war neun Meilen entfernt und hat keinen Namen übertragen, sondern nur die MMSI-Nummer, aber wir merken langsam, dass wir uns dem Land nähern. Das letzte Schiff liegt wohl 1,5 Wochen zurück. Vor dem Bug liegen noch 570 Seemeilen bis Barbados. Wir tippen auf eine Ankunft am Montagabend. Aber statt im Dunkeln einzulaufen werden wir rechtzeitig Segel reduzieren und die Ankunft auf den Dienstagmorgen timen. Heute ist noch so ein komischer, bedeckter Tag. Trotzdem ist es brütend heiss unter Deck. Der Wind ist super, beschert uns gutes Vorankommen. Heute ein 136er Etmal. Gestern gab es hier, mitten auf dem Atlantik, Rinderrouladen mit Rotkohl und Klössen. Haben wir alles noch in den Schapps gefunden. Eigentlich ein Sonntagsmahl, aber am Sonntag haben wirs leider verpasst. Die Vorräte sind immer noch mehr als ausreichent. Wir haben noch Wasser für zehn Tage und Futter für etwa drei Wochen an Bord. Ansonsten vergeht die Zeit, so kurz vor der Ankunft, eher schleppend. Ich lese die Biografie von Heinz Schwab. Mit seiner Yacht „Inshallah“ dreimal einhand um die Welt. Mit 60 aufgebrochen und allerhand erlebt. Auf dritten Reise vor Südafrika sechsmal durchgekentert. Wahnsinn. Heute lebt er in Südafrika. Den würd ich gern mal kennenlernen. Müssen die Reise also wohl über Südafrika routen 😉 Cati hatte gerade vor zwei Tagen auch eine Kentergeschichte in der Hand. „Once is enough“ von Miles Smeeton, „Einmal reicht“. Besser hätte gepasst „Einmal hätte gereicht“, denn das Smeeton-Ehepaar ist 1956 mit ihrer Holzketsch „Tzu Hang“ auf dem Weg durch den Southern Ocean durchgekentert, 900 Meilen vor Chile. Dorthin konnten sie sich mit Notrigg retten und haben dort fast ein Jahr damit zu tun gehabt, das Schiff wieder seeklar zu bekommen. Dann haben sie den zweiten Versuch gewagt – und sind wieder gekentert. Wieder zurück nach Chile, wieder das Boot reparieren. Nach England sind sie dann letztlich durch den Panama-Kanal gelangt. Ich hab noch ein paar Bücher übrig, aber Cati ist bald mit allem Lesestoff hier an Bord durch. Wir haben sehr viele alte Segel-Bücher an Bord, fast alle in Englisch. Die habe ich in den vergangenen sieben Jahren aus allen möglichen Antiquariaten zusammengesammelt, immer wenn ich während meines Jobs als YACHT-Redakteur auf eine spannende, wenig bekannte Geschichte gestossen bin. Zeit zum Lesen fehlte damals neben all den Aufgaben, deshalb habe ich sie ins Regal gestellt und „für den Atlantik“ reserviert, wenn endlich mal Zeit zum Lesen ist. Cati konnte die erste Zeit auf See nicht auch noch Segelbücher lesen, hat sich auf Romane und Novellen gestürzt. Aber nun hat sie mittlerweile auch fast alle maritime Literatur durch. Ich habe heute eine Email von einem guten Freund bekommen, der mir geschrieben hat, dass er jeden Morgen den Tracker checkt. Schön zu lesen, dass der offenbar funktioniert! 🙂 Ich habe lange im Internet gesucht, um solch ein kostenloses System ausfindig zu machen. Hat mich dann einen Tag Arbeit gekostet, das alles so zu optimieren, dass ich die Position täglich per Email dort auf die Karte posten kann. Man ist das ja vom Volvo-Ocean-Race und allen möglichen Expeditionen gewohnt, aber Satellitentracker sind irre teuer. Auch von den laufenden Kosten (etwa 350 Euro Anschaffung und 300 Euro/Jahr Unterhalt, so weit ich weiss). Aus Sicherheitsgründen und für Wetterinfos haben wir ja ein Iridium-Satellitentelefon an Bord, dessen Prepaid-Karte ich für die Atlantiküberquerung mit 75 Minuten aufgeladen habe. Die Laufzeit beträgt 31 Tage, dann verfällt das Guthaben. Bisher kommen wir gut damit hin, jeden Tag den Blog aktualisieren, den Tracker updaten und ein paar Emails an die Familie schicken dauert jeweils eine Minute Sendezeit. Nur einmal habe ich vergangenen Sonntag kurz meine Eltern angerufen, damit sie sich keine Sorgen machen. Denn über die Emails und den Blog sind sie ja immer auf dem Laufenden.