In Sachen Anholt* …

Liebe Leser,

viele Grüße aus Göteborg, dem nördlichsten Zipfel unseres Sommertörns. Nie hätten wir es für möglich gehalten, dass wir es so weit schaffen würden – und dann auch noch in der ersten Woche der Reise!

Im Hinterkopf hatten wir heimlich tatsächlich Göteborg als Wendepunkt geplant, deshalb sollte unser erstes Ziel Anholt sein, eine Insel im Kattegat. Zirka 170 Seemeilen von Kopperby entfernt ist sie laut Törnführer „das Traumziel der deutschen Fahrtensegler“ – und ein schöner Absprungshafen Richtung Schweden. Es hieß also erstmal: Meilen machen!

Passend zum Start stellte sich am vergangenen Sonntag Sommerwetter ein, leider machte  aber gleichzeitig der Wind erstmal Urlaub. So hatten wir die Gelegenheit, den Spi auszuprobieren, der 1988 in Südafrika genäht, aber nie zum Einsatz gekommen war. Damit konnten wir dann doch ein wenig Fahrt Richtung Bagenkop machen. Dort, an der Südspitze Langelands, sind wir dann einmal links abgebogen und ab in den Großen Belt. Immer noch bei leichten Winden. Unter diesen Bedingungen konnten wir locker Klappstühle auf dem Achterdeck aufbauen und gemütlich in der Sonne braten, dabei etwas futtern und etliche Schweinswale beobachten. Zum Abend hin stellte sich doch noch Wind ein, sodass wir erst noch unter Spi, dann unter Groß und Genua bis zu 8 Knoten liefen. Schöne Segel-Action nach dem entspannten Tag.

Für mich stand wieder eine Premiere bevor, nämlich die erste richtige echte Nachtfahrt. Seitdem ich Johannes kenne und er mich an die einschlägige Literatur herangeführt hat, träumte ich von einer Nacht auf See, mit schaukeligem Bett und einem Wachwechsel unter Sternenhimmel. Obwohl dies schon unsere dritte gemeinsame Segelsaison ist, hatten wir nie die rechte Zeit für einen längeren Törn, der derartige Späße erlaubt, sondern nur eine Nachtfahrt unter recht unromantischen Bedingungen hinter uns gebracht. Aber jetzt sollte es soweit sein! Wachwechsel alle drei Stunden ab 22.00 Uhr: Erst Johannes, dann Uwe und ich. Das Einschlafen klappte bei mir erstmal nicht so gut. Nicht etwa wegen der Schaukelei, sondern einfach weil ich vor Freude so aufgeregt war! Gespannt hab ich den Geräuschen zugehört, dem Quietschen des Autopiloten, der übrigens ganz fantastisch funktioniert, das Rauschen des vorbeifließenden Wassers, die Klatscher an die Bordwand, der Wind in den Segeln – und hab mich ganz wohlig und gemütlich gefühlt und bin dann doch weggedämmert. Beim Wachwerden gab es dann auch tatsächlich einen überragenden Sternenhimmel und es war auch noch recht warm, sodass es sich im Cockpit aushalten ließ. Leider ließ auch der Wind wieder nach und ich wurde wieder ganz schön müde, nachdem sich die erste Aufregung gelegt hatte. Aber es hat sich auf jeden Fall gelohnt, auf diesen Moment zu warten.

Im Morgengrauen passierten wir die Brücke über den Großen Belt, die in einer dicken Nebelsuppe kaum zu erkennen war. Ich hatte ein bisschen Angst, dass aus der Nebelwand plötzlich ein dicker Frachter auftaucht, der uns übermangelt. Glücklicherweise hatten wir dann gegen Mittag endlich freie Sicht und schon wieder Sonne. Erneute Spi-Action! Außerdem wechselte Johannes alle drei Filter unserer Dieselleitungen, in denen sich eine ganz schöne Suppe befand.

Im Laufe des Tages zeichnete sich ab, dass wir irgendwann in der Nacht auf Dienstag Anholt erreichen würden. Laut Hafenführer soll der Hafen immer überfüllt sein und wir wussten auch nicht, ob man dort vor der Insel ankern darf. Weil auch der Wind immer weniger wurde, entschieden wir uns für eine weitere Nacht auf See. Motor aus und zehn Meilen südlich der Insel einfach treiben lassen. Wir alle drei waren ziemlich müde, sodass Johannes mich direkt vier, statt drei Stunden schlafen ließ, wie nett. Ich wollte mich revanchieren und ihn ebenfalls vier Stunden schlafen lassen. Und Uwe, na ja, den wollte ich auch nicht wecken, der hatte so kleine Augen. War eh nicht viel los, deshalb dachte ich mir „ich kann das auch alleine wuppen“.

Diese zweite Nachtwache fand ich schon weniger cool. Mannomann, ich wusste absolut nicht, wie ich mich wach halten sollte. In Zukunft muss ich mir mal Hörbücher auf einem Mp3-Player mitnehmen. Irgendwann kam mir die Idee, etwas zu schreiben. Ein Blatt und ein Bleistift lagen noch in der Naviecke, also schrieb ich auf ganzer Breite in jede Zeile ganz eng einfach den ganzen weltbewegenden Quatsch auf, der mir durch den Kopf ging. Solch elementare Fragen, ob ich wohl Ärger bekommen würde, wenn ich den Bleistift abnutze (weil wir keinen Anspitzer an Bord haben), oder mein innerer Kampf mit mir selbst, mir jetzt bloß nicht meinen ungewaschenen Kopf zu kratzen, weil er sonst die ganze Zeit juckt. Diese Schlacht hab ich übrigens verloren … Zwischendurch immer mal nach Frachtern gucken, alle fünf Minuten. Kam aber keiner. War ich froh, als es endlich sechs Uhr war, ich ins Bett konnte und der Wahnsinn ein Ende hatte!

Um acht Uhr morgens erreichten wir am Dienstag dann Anholt und fanden uns plötzlich in einer anderen Welt wieder. Obertolle Strände, so klares Wasser, dass man den Grund sehen konnte und immer noch Sommerwetter. Das ist noch die Ostsee? Oder die Karibik? Im Hafen fanden wir direkt ein schönes Plätzchen und die nächsten zwei Tage wurde erstmal geurlaubt! Entspannung am Strand, wilde Schlauchbootfahrten – aber zuerst mal eine leckere Dusche! Fantastisch! Ich mag Fahrtensegeln! Am ersten Abend waren wir aber noch so müde, dass wir fast Uwes Geburtstag verpennt hätten. Ich hab noch schnell versucht ein bisschen Stimmung aufkommen zu lassen, aus Küchenrolle lustige Partyhüte gebastelt und um zwölf mit mitgebrachten Tröten Radau gemacht, aber es half nicht, die Feierei musste auf den nächsten Tag verschoben werden.

So hatten wir also schon bereits nach vier Tagen alles, was das Herz erfreut: Entspanntes Segeln, rasanteres Segeln, dabei eine große Strecke zurückgelegt und sogar schon zwei richtige Urlaubshafentage. Vor uns noch genügend Zeit, tatsächlich bis nach Göteborg zu kommen.

Diesmal gabs RICHTIG rasantes Segeln mit ordentlich Welle. Wenn 12 Tonnen tanzen, will das schon was heißen. Dooferweise werde ich immer schnell ein bisschen seekrank. Schlimmer wird’s natürlich, wenn ich unter Deck gehe. Viel doofer ist aber die Lage unseres Klos, nämlich im Vorschiff. Die Seeventile dafür sind auch noch unter der Schüssel, man muss sich immer platt auf den Boden legen oder Kopfstand machen, um sie öffnen zu können. Vor uns lagen 84 Meilen, unmöglich für eine kleine Mädchenblase so lange dicht zu halten. Der arme Johannes musste ganz schön oft Kopfstand machen.

Vorgestern Nacht um zwei Uhr sind wir dann in den Stadthafen „Lilla Bommen“ in Göteborg eingelaufen, direkt in der City an einem Riesenrad und der Bark „Viking“, die heute ein Hotel ist. Schon im Dunkeln waren wir ganz fasziniert, die Schweden wissen ihre Stadt mit vielen bunten Lichtern gut in Szene zu setzen. Gestern morgen haben wir dann gemerkt, dass es hier auch im Hellen ganz schön viel zu sehen gibt. Weil wir so gut in der Zeit sind, konnten wir uns heute noch einen weiteren Göteborgtag gönnen, bevor es dann ab in die wesentlich ruhigeren Schären geht und wir uns entspannt heimwärts hangeln wollen.

Alter Schwede, ist das ein schöner Urlaub …

Cati

* nicht zu verwechseln mit Sachsen-Anhalt

Bildergalerie eins:

Bildergalerie zwei:

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