Erste Etappe nach Ijmuiden

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Zwei Tage haben wir in Cuxhaven umgestaut und gebaut. Cuxhaven befindet sich zwar nur etwa 40 km von Oberndorf entfernt, aber trotzdem war es für den Kopf extrem wichtig, dass wir diese Restarbeiten nun „unterwegs“ erledigen konnten.

Johannes hat zum Beispiel noch eine megastarke Bilgepumpe installiert, die im Notfall pro Minute 250 Liter Wasser aus dem Boot befördern soll. Außerdem hat er die Kraft, die durch unsere Oberwanten auf das Deck einwirken, auf das Schott umgelenkt. Unsere Püttinge sind alle nur durch das Deck gebolzt und mit einer Edelstahlplatte abgefangen, nun haben wir bei den Oberwanten noch Verlängerungen mit Wantenspannern. Und dann waren noch so viele Kleinigkeiten zu erledigen, für die vorher keine Zeit war, wie z.B. den Kühlschrank anzuschließen.

Ungewöhnlicherweise herrscht schon sein vielen Tagen Ostwind. Einfach perfekt, um von Cuxhaven nach England segeln zu können. Diese Gelegenheit wollten wir auf keinen Fall ungenutzt lassen und deshalb nonstop nach Ramsgate segeln, wo wir mit unseren Nachbarn Bert und Marlene verabredet sind. Mit Rückenwind ging es Mittwoch morgen an der Kugelbake vor Cuxhaven vorbei, Sonnenschein, keine Wolke, Traumbedingungen! Der Wind ist dann etwas abgeflaut, aber trotzdem genug zum Segeln. Die Nordsee hat es uns wirklich leicht gemacht, sich nach zwei Jahren an Land an das Schaukeln zu gewöhnen. Wir beide sind gerade in den letzten Wochen sowas von übersättigt gewesen an Stress und absurden Gedanken, was noch alles zu erledigen sei, dass es sich noch etwas komisch anfühlt einfach nur zu segeln. Wir sitzen da und genießen, überlegen, was man als nächstes essen könnte und können noch gar nicht richtig begreifen, dass unsere Reise tatsächlich begonnen hat.

Zum Abend hin sind die Wellen mittlerweile so hoch, dass unser elektrischer Autopilot es nicht mehr schafft sie auszusteuern. Unsere Monitor-Windsteueranlage funktioniert auch noch nicht, es war noch keine Zeit für das Feintuning. Johannes bleibt nichts anderes übrig, als die Nacht von Hand durchzusteuern. Ich bin dabei überhaupt keine Hilfe, mich hat die Seekrankheit nun doch dahingerafft, und alle Leckerkeiten, über die ich mich tagsüber so gefreut habe, landen auf dem Seitendeck. Johannes ist plötzlich wieder Einhandsegler. Und ich fühle mich deshalb noch mieser.

Irgendwie hat es Johannes dann im Dunkeln doch noch geschafft, die Monitor richtig einzustellen, sodass er zumindest alle paar Minuten unter Deck zur Ruhe kommen konnte. Dennoch: eine ziemlich lange Nacht!

Am zweiten Tag war es wetter- und windmäßig wieder super, wir konnten deshalb eine Menge Schlaf aufholen. Meine Seekrankheit hatte sich auch wesentlich gebessert. Als es dunkel wurde, waren wir sogar sehr zuversichtlich, diese Nacht abwechselnd Wache gehen zu können. Kaum habe ich mich aber hingelegt, ertönt Alarm von Deck: Wir haben einen Wantenspanner verloren! In Cuxhaven haben wir alle Wanten nochmal nachgestellt und mein Vater hat sie alle gesichert und getaped. Nur die ganz oben, von erstem zu zweitem Salingspaar, die haben wir nicht nochmal kontrolliert. Ein echt schwerer Fehler! Als wir vor ein paar Wochen den Mast zum ersten Mal gestellt haben, haben wir diese Wanten nicht gesichert, weil wir sie ja noch einmal nachstellen wollten vor der Abfahrt. Das haben wir nicht gemacht, was uns nun den Wantenspanner gekostet hat und wir sind uns sehr bewusst, dass es auch ganz anders hätte ausgehen können. In rauem Wetter hätten wir ganz sicher den Mast verloren …

Glücklicherweise hat sich „nur“ eins der oberen Zwischenwanten gelöst, das schlackerte jetzt einfach so um den Mast und dängelte ganz ordentlich. Wir haben sofort die Segel runtergenommen, um das Rigg nicht noch zusätzlich zu belasten und binnen Sekunden hatte Johannes die Entscheidung gefällt, nach Ijmuiden zu motoren. Wir haben tags zuvor einen ziemlich weiten Schlag auf die Nordsee gemacht und wären mittlerweile in der Lage gewesen, Ramsgate „auf einer Backe“ zu erreichen, also ohne noch einmal den Kurs ändern zu müssen. Wir waren also auf dem Weg hinaus auf die Nordsee. Hätten wir den Wantenspanner zwei Stunden später verloren, hätten wir also nach England motoren müssen, keine Chance mehr umzukehren. Und Gott sei Dank hatte der Wind so weit abgeflaut, dass auch die Wellen immer kleiner wurden. So verlief die Motorfahrt nach Ijmuiden relativ unspektakulär.

14 Stunden sind wir durch die absolute Flaute motort, um bei bestem Sonnenschein in Ijmuiden anzukommen. Hier ist schon Winterbetrieb, die Männer müssen die Damentoilette benutzen, damit nicht so viel schmutzig wird, und wir sind den ganzen Tag in T-Shirt und kurzer Hose rumgelaufen.

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Thema Nummer eins war natürlich, wo wir schnellstmöglich einen Wantenspanner auftreiben. Johannes hat erstmal probiert, ob nicht der Spanner von der Seereling passt … und auch den direkt im Hafenbecken versenkt. Schließlich haben wir einen Tipp bekommen und nach einer halben Stunde Fußmarsch konnten wir im Segler-Dorado tatsächlich einen passenden Wantenspanner kaufen, obwohl wir einen ganz speziellen mit Feingewinde brauchten!

Morgen kann es also nach Ramsgate weiter gehen. Wir schätzen, dass wir Sonntag nachmittag ankommen werden. Für morgen ist leider so gut wie kein Wind angesagt.

Wenn wir drüben angekommen sind, dann werden die Berichte hier auch wieder regelmäßiger. Bisher war einfach noch so viel zu tun, ab England ist dann Müßiggang angesagt!