Die letzten Tage im Paradies

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Das moderne, um nicht zu sagen, „zivilisierte Leben“ hat uns wieder: Wir sind vorgestern in den USA angekommen. Und damit mussten wir nicht nur unsere Schuhe und für die amerikanischen Behörden angemessene Kleidung heraussuchen, sondern wir haben nun auch wieder zuverlässiges Internet und können etwas regelmäßiger bloggen.

Mit dem Erreichen der USA geht der bislang schönste Teil dieser Reise vorerst zuende. Die Bahamas spiegeln eigentlich ziemlich genau das wieder, was man sich ausmalt, wenn man an eine Blauwasserreise denkt. Sie sind so, wie man sich die Karibik vorstellt, wenn man noch nicht dort gewesen ist: Einsame Buchten, schneeweiße Strände, warmer Passatwind, türkises Wasser, exotische Natur und romantische Ankerplätze mit privaten Sonnenuntergängen. Nur Johannes, „Maverick“ und ich. Vieles davon gibt es auch in der Karibik. Nur halt nicht einsam. In den Buchten dort haben wir selten als einzige Yacht geankert, so wie auf den Bahamas fast ständig.

Vor allem waren die Inseln ganz schön abwechslungsreich. Nachdem wir es in den ersten zwei Wochen hauptsächlich mit freundlichen Menschen und schwimmenden Schweinen zu tun hatten, ging es von Staniel Cay aus die Kette der Exumas weiter hinauf von einem Highlight zum nächsten.

Unser erster Stopp auf Warderick Wells Cay hatte mit einer zerfallenen Siedlung aus dem 18. Jahrhundert beinahe schon so etwas wie Kulturgeschichte zu bieten. Über einen unbefestigten und ziemlich abenteuerlichen Pfad mit schluchtenartigen Löchern sind wir in der prallen Mittagshitze zu den Ruinen gelaufen. In Badeklamotten, aber immerhin mit Wanderschuhen im Bahamas-Style: FlipFlops. Mehr als Ruinen haben wir tatsächlich nicht vorgefunden. Spannender war die schroffe Ostküste der Insel. Die Sträucher, die zwischen den Felsen wachsen, sind vollkommen mit Muscheln behangen, die auf die nächste Flut warten. Sieht aus wie kleine Regentropfen. Wir mussten beim Laufen ganz schön vorsichtig sein, damit wir keine Muschel zertreten. Nachmittags haben wir uns am nächsten Strand abgekühlt, etwas geplanscht, ein Bier getrunken und mit einem Teller Frisbee gespielt. So entspannt wie auf Waderick Wells waren wir selten auf der Reise. Das darf man nicht falsch verstehen – natürlich wissen wir, dass wir es ganz schön schön haben und es ein Privileg ist so leben zu können, wie wir es gerade tun. Aber ich vermute, es liegt in der menschlichen Natur, dass sich der Verstand immer etwas zu sorgen sucht. Egal, wie gut man es hat, richtig abschalten kann man selten, weil noch andere wichtige Themen im Kopf herumspuken. Bei uns sind das unter anderem Wetterfenster, Zeitpläne, Geld, Arbeiten, und ja, auch der Blog, das Fotografieren und Filmen und auch die Suche nach dem nächsten Internetzugang, mit dem sich alles Vorgenannte managen lässt. Vermutlich hat es uns auf Waderick Wells auch deshalb so gefallen, weil wir wussten, dass wir jetzt wirklich ohne Kontakt nach außen sind. Nur Johannes, „Maverick“ und ich. Mit der Ausrede, warum wir gerade jetzt nicht bloggen oder arbeiten, was diese Reise zu diesem Zeitpunkt ja überhaupt erst möglich macht. Wenn man es so will, dann war unser Besuch auf Warderick Wells Cay wohl vielleicht Urlaub vom Urlaub.

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Die nächste Insel Shroud Cay wartete mit besonderer Natur auf. Quer über die Insel erstreckt sich ein flacher Fluss, den wir mit dem Dingi erkundet haben. In der Mündung haben wir drei ganz schön große Ammenhaie gesehen. In knöcheltiefem Wasser. An unserem Ankerplatz in Staniel Cay ist schon ein Zwei-Meter-Exemplar neben Johannes aufgetaucht, als er nach unserem Anker sehen wollte. Da war es aber vier Meter tief. „Die tun nix, die spielen nur“, wissen wir theoretisch über Ammenhaie, aber ein ungutes Gefühl geben sie einem doch schon. Ich bin aber auch ein wirklicher Schisser und aus Angst vor Haien auf den Bahamas wesentlich seltener ums Boot geschwommen als in der Karibik. In Ufernähe habe ich mich immer sicher gefühlt. Aber offensichtlich ist das den Haien ziemlich egal, wie viel Wasser sie noch unterm Kiel haben. Filmen wollte ich die Ammenhaie dann doch und habe sogar meine Hand mit der Kamera unter Wasser gehalten. Leider sind die Haie aber genauso schissig wie ich und immer schnell weggeschwommen, wenn wir mit dem Dingi näher kamen.

Auf die Insel Norman’s Cay, die einmal ein Drogenumschlagplatz war, hat Johannes sich schon seit seinem Besuch auf der ersten Reise gefreut. Wie es heute auf der Insel aussieht, kann man in Johannes‘ neustem Blogeintrag bei YACHT online nachlesen.

Das ist übrigens das spannende Buch über Normans Cay, das wir mittlerweile beide verschlungen haben:

Allan’s Cay, unser nächster Halt, ist ausschließlich von Iguanas bewohnt. Am Strand wimmelt es nur so von dieser witzigen Leguanart, die mindestens genauso unterhaltsam ist, wie die schwimmenden Schweine auf Staniel Cay. Ein kleines Kerlchen ist direkt vor Johannes Nase von einer Palme gefallen, als er gerade ein Foto knipsen wollte. Was die sich alles einfallen lassen, um die Touris zu unterhalten … Vor Allan’s Cay mussten wir in einem schmalen Kanal ankern, in dem einige Strömung herrschte. Weil auch nur hin und wieder Wind ging, ist „Maverick“ recht heftig geschwojt. Das hat uns eine ziemlich schlaflose Nacht beschert, denn hinter uns lag eine polnische Fahrtenyacht, der wir immer wieder ganz schön nah kamen. Wir haben es vor Anker schon einige Male erlebt, dass uns ein anderes Schiff zu nah kam, weil es zu wenig Kette gesteckt hatte oder den Anker nur geschmissen und nicht richtig eingegraben hatte. „Hoffentlich hält deren Anker“ haben wir immer gedacht. „Hoffentlich hält unser Anker“ haben wir dieses Mal gedacht, denn der Kanal war schon ziemlich schmal, es wurde abrupt flach und dann war da ja auch noch die polnische Yacht … Als wir am nächsten Morgen den Anker hochgeholt haben, wurde uns klar, dass der ganz sicher nicht ausgebrochen wäre. Unsere Ankerkette hatte sich um einen fast schon prähistorischen Stockanker geknotet, den unsere starke Ankerwinsch jetzt mit rausgerissen hatte. Um die Kette in Ruhe zu enttüddeln, wollten wir erstmal aus dem engen Kanal rausfahren. Als wir an den Polen vorbeifuhren, lachten sie laut und zeigten auf den rostigen Stockanker, der uns quer vor dem Bug hing, riefen begeistert „Souvenir“!

Unser vorletztes Ziel auf den Bahamas war Nassau auf New Providence. Eigentlich wollten wir diese Insel gar nicht anlaufen. Ihr Ruf, eine hohe Kriminalitätsrate zu haben, eilt ihr voraus. In den Seekarten, die Johannes auf seiner ersten Reise dabei hatte, stand, dass man nachts nicht die Hauptstraße herunter laufen soll. „Nicht mal mit acht Personen“. Vor George Town auf Great Exuma haben wir aber Conny und Carsten kennen gelernt. Die beiden netten Kieler skippern seit Anfang des Jahres eine Yacht mit Heimathafen Lyford Cay, New Providence. Weil es mit einem Sundowner in George Town nicht geklappt hat, hatten uns die beiden nach Nassau in ihre Marina eingeladen und angeboten eine Nacht zu spendieren. Diese Planänderung entpuppt sich mal wieder wunderbares Erlebnis.

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Bei der Ansteuerung war die Hochhauskulisse von Nassau erst einmal ein Schock. Kaum zu glauben, wie schnell man sich davon „entwöhnt“. Conny und Carsten haben uns in ihrem Auto erstmal etwas von der Insel gezeigt: das bekannte Atlantishotel auf Paradise Island zum Beispiel, und natürlich den nächsten Supermarkt. Außerdem hatten wir endlich die Chance unsere Wasservorräte aufzustocken. Wir waren richtig leer und hatten uns ein paar Tage vorher schon auf der „Salana“ 30 Liter Wasser gepumpt – die haben einen Watermaker.

Kurz vor der Weiterfahrt auf die Berry Islands klopfte es an der „Maverick“ und wir lernten Bernie kennen, der von weitem unsere neue Nationale gesehen hat. Er ist auch Deutscher, allerdings vor 23 Jahren in die USA ausgewandert und ebenfalls als Skipper für den Eigner einer großen Motoryacht unterwegs. Als echter Revierkenner gab er uns wirklich hilfreiche Tipps für die USA, wo man in West Palm Beach ankern soll („hinter der dritten Tonne rechts“) und welche Immigrationsbeamte Seglern wohlgesonnen sind. Schließlich ist er noch einmal mit einem großen Müllsack zu uns an den Steg gekommen. Er müsse heute nach Hause fliegen und ob wir mit den verderblichen Sachen aus seinem Kühlschrank etwas anfangen können. Beim Blick in die Mülltüte hätten wir fast angefangen zu sabbern. Aufregender hätte der Sack vom Weihnachtsmann nicht sein können! All die guten Sachen, die wir uns aus Geiz verkniffen haben: Eine Auswahl an Obst und Gemüse, Käse, der kein Cheddar ist, sogar Spargel und dann auch noch Hähnchenfleisch!

Den letzten Abend auf den Bahamas haben wir vor Cockroach Cay verbracht. Bei dem Namen mussten wir da einfach ankern, auf der „Kakerlaken-Insel“. Am Horizont waren noch die Lichter von Nassau zu sehen und in Gedanken waren wir auch den USA schon sehr nah. Aber für einen Abend erst noch einmal allein. Nur Johannes, „Maverick“ und ich. Und Hühnchen à la Bernie auf dem Grill.